Bei Rückschnitten von Planzen ist es oft so, dass dem kleinen Finger schnell die ganze Hand folgt. Im Fall des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG) ging es um zwei Bäume, und hier lag nahe, dass ganze Arme daran glauben mussten. Mit Folgen, wenn es sich um die Bäume der Nachbarin handelt, denen man nachhaltigen Schaden zugefügt hat.
Eine Frau hatte ein großes Grundstück mit einem rund 70-jährigen Baumbestand und ließ die Bäume regelmäßig von einem Fachunternehmen beschneiden. An der einen Grundstücksgrenze, deutlich auf ihrem Grundstück, standen zwei Bäume. Die Frau war einverstanden, dass der Nachbar die herüberhängenden Äste zurückschneidet. Der Mann nutzte daraufhin eine Abwesenheit der Frau, betrat ihr Grundstück und führte gravierende Schnittarbeiten an beiden Bäumen durch: An der Birke verblieb daraufhin kein einziges Blatt, der kurz vor der Ernte befindliche Kirschbaum wurde vollständig eingekürzt. Ob sich die Bäume erholen werden, war dabei ungewiss. Daraufhin legte die Frau eine Klage auf Schadensersatz von knapp 35.000 EUR ein. Sie erhielt jedoch nur 4.000 EUR und zog vor die nächste Instanz.
Das OLG verwies den Rechtsstreit an das Landgericht (LG) zurück – mit folgenden Hinweisen: Das LG muss im weiteren Verfahren den Sachverhalt zur Bemessung des Schadensersatzes hinreichend aufklären. Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei Zerstörung eines Baums in der Regel nicht voller Schadensersatz zu leisten, da die Ersatzbeschaffung in Form der Verpflanzung eines ausgewachsenen Baums regelmäßig mit besonders hohen – und damit unverhältnismäßigen – Kosten verbunden wäre. Der Schadensersatz richtet sich daher vielmehr auf eine Teilwiederherstellung durch Anpflanzung eines neuen jungen Baums sowie einen Ausgleichsanspruch für die verbleibende Werteinbuße des Grundstücks. Die Werteinbuße ist dabei zu schätzen. Ausnahmsweise sind die vollen Wiederbeschaffungskosten nur dann zu zahlen, wenn Art, Standort und Funktion des Baums für einen wirtschaftlich vernünftig denkenden Menschen den Ersatz durch einen gleichartigen Baum wenigstens nahelegen würden. Aufzuklären ist deshalb bei der Bewertung des Schadensersatzes die Funktion der Bäume für das konkrete Grundstück.
Hinweis: Das rechtswidrige Fällen von Bäumen auf Nachbargrundstücken kann also richtig teuer werden. Das sollten alle Beteiligten wissen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.02.2024 – 9 U 35/23