Die Auseinandersetzung darüber, wessen Krankheit schwerer wiegt als eine andere, mag in persönlicher Hinsicht makaber sein. Wenn sich ein Gericht – wie hier das Amtsgericht Dortmund (AG) – aber mit einer Räumungsklage auseinandersetzen muss, in der beide Parteien gesundheitliche Einschränkungen als Argumente anführen, bleibt leider nichts anderes übrig.
Ein Mietshaus war ursprünglich als Einfamilienhaus errichtet worden, bevor später die Aufteilung in zwei Wohnungen erfolgte. In der oberen Wohnung wohnten die Vermieter, in der unteren die Mieterin. Die Vermieter kündigten nun das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs. Die Kündigung wurde darauf gestützt, dass die Wohnungen wieder zusammengelegt werden sollten. Dies sei aus gesundheitlichen Gründen erforderlich, da das Treppensteigen dem Vermieter nicht mehr möglich sei. Ebenso sei die Vermieterin an Arthrose erkrankt und der Sohn zu 100 % schwerbehindert, so dass diesem ein eigenes Zimmer zur Verfügung gestellt werden solle. Gegen die Kündigung erhob die Mieterin Widerspruch. Sie berief sich darauf, dass sie sich wegen Depressionen in einer psychotherapeutischen Behandlung befinde und sich deshalb zudem bereits in stationäre Behandlung begeben habe müssen. Außerdem sei es ihr nicht möglich, eine vergleichbare Wohnung zu finden.
Das AG musste nun die widerstreitenden Interessen auflösen – und verlängerte im Ergebnis den Mietvertrag um gut drei Jahre. Ein Mieter kann nämlich verlangen, dass das Mietverhältnis so lange fortgesetzt wird, wie dies unter Berücksichtigung aller Umstände angemessen ist. Im vorliegenden Fall trafen zwei unterschiedliche erkrankte Parteien aufeinander. Das Gericht musste deshalb eine Prognoseentscheidung bezüglich eines möglichen Wegfalls der Härtegründe treffen. Hätten die Interessen der Parteien nach Ansicht des AG gleich schwer gewogen, hätte das Räumungsinteresse des Vermieters wiederum den Vorrang erhalten.
Hinweis: Will sich also der Mieter darauf berufen, dass ihm ein Auszug aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich sei, muss er stets dezidiert seine Krankheitssymptome angeben.
Quelle: AG Dortmund, Urt. v. 02.06.2020 – 425 C 3346/19