Arbeitnehmervertretungen sind für ihre Streitkultur berüchtigt, und das nicht nur nach außen im Arbeitskampf. Auch innerhalb von Gewerkschaften und Betriebsräten gibt es naturgemäß oft Ärger und Streit. Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) musste im folgenden Fall daher entscheiden, ob bei einer Auseinandersetzung die rote Linie durch eine Betriebsrätin überschritten wurde – oder eben nicht.
Während der ersten Betriebsratssitzung nach den Betriebsratswahlen kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung. Eine neu in das Gremium gewählte Betriebsrätin bekam als einzige keinen Schlüssel für das Betriebsratsbüro. Daraufhin bezeichnete sie einen ihrer Kollegen als „Wichser“ und zeigte ihm den Mittelfinger. Der Betriebsrat beschloss daraufhin den Ausschluss der Kollegin aus dem Betriebsrat und leitete das gerichtliche Verfahren ein.
Allerdings sah das LAG die Angelegenheit anders und stellte sich auf die Seite der Betriebsrätin. Beleidigungen im Gremium können zwar zu einem Ausschluss aus dem Betriebsrat führen – die Kränkung muss aber ein erhebliches Gewicht haben und zu schweren Störungen der Zusammenarbeit führen. Das kann natürlich auch bei der Bezeichnung als „Wichser“ und dem Zeigen des ausgestreckten Mittelfingers grundsätzlich der Fall sein. Hier jedoch handelte es sich um eine spontane Reaktion auf eine unmittelbar vorausgegangene objektive Benachteiligung, die die Betriebsrätin als Unrecht empfunden hatte. Deshalb war der Ausschluss aus dem Betriebsrat in diesem Fall rechtswidrig.
Hinweis: Ein Fehlverhalten im Betriebsrat und als Betriebsratsmitglied kann den Ausschluss aus dem Betriebsrat nach sich ziehen. Davon unabhängig ist jedoch der Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das sind zwei Dinge, die es auseinanderzuhalten gilt.
Quelle: LAG Köln. Beschl. v. 14.08.2020 – 9 TaBV 4/20