Eigentlich sollte es mittlerweile jedem klar sein: Wer einen anderen Menschen gegen seinen Willen küsst, begeht sexualisierte Gewalt. Dennoch müssen Gerichte diesen Fakt immer wieder klarstellen – im folgenden Fall war es am Landesarbeitsgericht Köln (LAG), einem Mann seine eindeutigen Grenzen aufzuzeigen, nachdem dies bereits seine (mittlerweile ehemalige) Arbeitgeberin getan hatte.
Der seit vielen Jahren beschäftigte Arbeitnehmer hatte auf einer zweitägigen Teamklausur abends in der Hotelbar mehrfach versucht, einer Kollegin seine Jacke umzulegen – trotz ihrer geäußerten Ablehnung. Später verfolgte der Mann die Frau bis vor deren Zimmer. Dort zog er sie zu sich heran und versuchte, sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn weg, er zog sie jedoch erneut zu sich heran und schaffte es, sie zu küssen. Die Arbeitnehmerin drückte ihn nochmals weg. Nachdem sie ihrem Vorgesetzten von dem Vorfall berichtet hatte, kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis nach Anhörung des Mannes fristlos, wogegen der Arbeitnehmer vergeblich klagte.
Auch in Augen des LAG war eine vorherige Abmahnung in diesem Fall nicht erforderlich, da für den Mann offensichtlich erkennbar gewesen war, dass er mit seiner sexuellen Belästigung eine rote Linie überschritten hatte, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar gemacht hat. Die Arbeitgeberin ist schließlich verpflichtet, ihre weiblichen Mitarbeiterinnen vor sexuellen Belästigungen zu schützen.
Hinweis: Wer sexualisierte Gewalt am Arbeitsplatz erlebt, sollte unverzüglich dagegen vorgehen. Helfen kann neben dem eigenen Rechtsanwalt auch die Arbeitnehmervertretung, wie beispielsweise der Betriebsrat.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 01.04.2021 – 8 Sa 798/20