Neues zur Eigenbedarfskündigung: Erledigt sich Rechtsstreit vor Entscheidungsreife, entscheidet Beweisantizipation über dessen Kosten

In diesem Fall des Landgerichts Lübeck (LG) ging es glücklicherweise „nur noch“ um Geld. Dies sei nur deshalb erwähnt, weil es bei Eigenbedarfskündigungen oft um den Verlust der heimischen vier Wände geht, der auch tragische(re) Folgen haben kann. Die Frage hier war, wer die Kosten des Rechtsstreits tragen muss, wenn der vom klagenden Wohnungseigentümer begehrte Auszug bereits vor Entscheidungsreife vonstatten gegangen ist.

Ein Vermieter hatte eine Mietwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt. Als die Mieterin nicht auszog, verklagte er sie auf Räumung. Doch zwei Monate nach der Klageerhebung zog die Mieterin dann doch aus, einen Tag nach der Räumung zog dann die Tochter des Vermieters ein. Der Rechtsstreit wurde für erledigt erklärt und das Gericht entschied, dass beide Parteien jeweils die Hälfte der Kosten tragen sollte. Dagegen wandte sich der Vermieter – mit Erfolg.

In dem Fall war der Rechtsstreit bei Eintritt des erledigenden Ereignisses – Auszug der Beklagten und Einzug der Tochter des Klägers – noch nicht entscheidungsreif. Entsprechend gab es auch keine Beweisaufnahme, die Sache erschien ja erledigt. Was die Kosten angeht, musste das LG mit seiner Expertise nun also mutmaßen, wie der Rechtsstreit entschieden worden wäre. Demgemäß hätte der Vermieter mit großer Wahrscheinlichkeit gewonnen, da eine entsprechende Beweisaufnahme mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in seinem Sinne verlaufen wäre. Schließlich war die Tochter nicht nur einzugswillig, sondern auch tatsächlich eingezogen. Es handelte sich also nicht mehr um eine sogenannte bloße Vorratskündigung. Eine solche liegt nämlich dann nicht mehr vor, wenn sich der Überlassungswille soweit „verdichtet“ hat, dass ein konkretes Interesse an einer schnellen Eigennutzung besteht. Hieran bestanden nach Einzug der Tochter keine Zweifel. Somit musste die Mieterin die Kosten des erledigten Rechtsstreits zahlen.

Hinweis: Für Mieter ist es extrem schwierig, vorab abzuschätzen, ob eine Eigenbedarfskündigung nur vorgeschoben ist oder nicht. Zieht der Mieter aufgrund einer Eigenbedarfskündigung aus, und stellt sich später heraus, dass der Kündigungsgrund gar nicht bestand, hat sich der Vermieter schadensersatzpflichtig gemacht. Auch dazu gibt es bereits eine Reihe von Urteilen, in denen der Vermieter den Kürzeren gezogen hat.

Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 15.06.2023 – 11 C 228/22