Bislang griff der besondere Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer erst, wenn das Arbeitsverhältnis bereits länger als sechs Monate bestand. Doch das könnte nun nicht mehr ohne weiteres gelten. Denn das Arbeitsgericht Köln (ArbG) ist mit folgendem Urteil einen neuen Weg gegangen, den das europäische Recht eröffnet hat.
Ein öffentlicher Arbeitgeber hatte einen schwerbehinderten Arbeitnehmer für seinen Bauhof eingestellt und dort in vier verschiedenen Bereichen mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt. Im sechsten Beschäftigungsmonat kündigte ihm der Arbeitgeber. Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung. Er meinte, der Arbeitgeber hätte ihn in einem Bereich einsetzen müssen, in dem er gut zurechtgekommen sei.
Das sah das ArbG ähnlich. Der Arbeitgeber hätte zuvor ein Präventionsverfahren durchführen müssen, wenn der Arbeitsplatz eines schwerbehinderten Menschen gefährdet ist. In einem solchen Verfahren erörtert der Arbeitgeber mit dem Integrations- bzw. Inklusionsamt sowie dem Betriebsrat und der Schwerbehindertenvertretung, wie das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden kann (§ 167 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch). Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ist ein Präventionsverfahren während der ersten sechs Beschäftigungsmonate nicht erforderlich (BAG, Urt. v. 21.04.2016 – 8 AZR 402/14). Dem widerspricht das ArbG nun: Das Gesetz regle diesen Punkt nicht. Laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) sei es aber geboten, das Präventionsverfahren bei Bedarf auch schon während der Probezeit durchzuführen (EuGH, Urt. v. 10.02.2022 – C-485/20). Weil der Arbeitgeber kein Präventionsverfahren durchgeführt hatte, sei die Kündigung in der hier behandelten Sache auch unwirksam. Erst, wenn er das Präventionsverfahren ordnungsgemäß begonnen hätte und es während der ersten sechs Beschäftigungsmonate nicht hätte abgeschlossen werden können, wäre eine Probezeitkündigung möglich gewesen.
Hinweis: Falls Arbeitgeber nun auf die Idee kommen, nur für schwerbehinderte Menschen Probezeitbefristungen anzubieten, wird das gefährlich. Ein solcher Arbeitsvertrag würde mit Ende der Probezeit automatisch enden. Und Vorsicht: Befristete Probearbeitsverträge nur auf schwerbehinderte Bewerber zu beschränken, würde eine unzulässige Benachteiligung schwerbehinderter Menschen bedeuten.
Quelle: ArbG Köln, Urt. v. 20.12.2023 – 18 Ca 3954/23