Der „gelbe Schein“ wird 2022 nicht nur in Sachen Digitalisierung immer mehr der Vergangenheit angehören – er wird auch als geflügeltes Wort für ein Alibi bei Arbeitsunlust immer stärker ins Visier von Arbeitgebern und folglich auch von Gerichten genommen. Im Folgenden versuchte sich ein Auszubildener darin, sich mithilfe einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor einer unliebsamen Pflicht zu drücken, und landete vor dem Arbeitsgericht Siegburg (ArbG).
Der 24-Jährige ließ sich zum Sport- und Gesundheitstrainer ausbilden. Nachdem er bei einer schulischen Prüfung durchgefallen war, wurde eine Nachholprüfung angesetzt. Am Prüfungstag erschien er im Fitnessstudio seines Ausbildungsbetriebs und legte eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für drei Tage vor. Danach absolvierte er jedoch prompt ein intensives Krafttraining, ohne im Anschluss an der Prüfung in der Berufsschule teilzunehmen. Folglich erhielt der Azubi die fristlose Kündigung, gegen die er eine Kündigungsschutzklage erhob.
Das ArbG wies die Klage jedoch ab und hielt die fristlose Kündigung für gerechtfertigt. Der wichtige Kündigungsgrund lag darin, dass sich der Azubi die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen ließ, um den angesetzten Nachholprüfungen zu entgehen – eine ganz erhebliche Pflichtverletzung. Dem Vortrag des Azubis, er sei erst krank gewesen, dann jedoch spontan genesen, und schließlich habe er auch gearbeitet, glaubte das Gericht nicht. Kein Auszubildender darf davon ausgehen, dass dessen Ausbilder es hinnimmt, falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt zu bekommen, um sich den anstehenden Prüfungen zu entziehen – insbesondere, wenn es sich um Nachholprüfungen handelt.
Hinweis: Je näher das Ausbildungsende ist, desto schwerwiegender müssen die Kündigungsgründe sein. Dieser Fall zeigt aber auch, dass kurz vor Beendigung der Ausbildung eine Kündigung möglich sein kann.
Quelle: ArbG Siegburg, Urt. v. 17.03.2022 – 5 Ca 1849/21