„Unruhestand“ trotz GdB 100? Keine automatische Zahlungseinstellung für Arbeitsassistenz bei Eintritt ins Rentenalter

Nicht jeder erwerbstätige Mensch träumt vom Ruhestand, und so ist es nicht mehr ungewöhnlich, nach Erreichen des Rentenalters weiterhin beruflich aktiv zu bleiben. Dass dieses Anrecht auch für Menschen mit Behinderungen gelten kann, hat kürzlich das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) festgestellt. Anlass für das entsprechende Urteil war die Klage eines Betroffenen, der die Kostenübernahme seiner Arbeitsassistenz auch nach Eintritt in die Altersrente begehrte.

Dabei ging es um einen erblindeten Mann mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100. Der Mann ging am 01.07.2016 in Altersrente. Bis dahin hatte der selbständige Lehrer, Berater und Gewerbetreibende Leistungen für eine Arbeitsassistenz mit 22 Wochenstunden von monatlich 1.650 EUR erhalten. Der zuständige Landeswohlfahrtsverband wollte dann die Kosten für die Arbeitsassistenz während des Rentenbezugs nicht mehr übernehmen. Der Rentner wollte jedoch, dass der Landschaftsverband die Kosten für ein weiteres Jahr übernimmt.

Nachdem der Mann in den Vorinstanzen verloren hatte, war das BVerwG grundsätzlich anderer Auffassung. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine notwendige Arbeitsassistenz als begleitende Hilfe im Arbeitsleben ist eine Altersgrenze weder ausdrücklich im Gesetz geregelt noch lässt sie sich diesem entgegen der Auffassung der Vorinstanzen im Wege der Auslegung entnehmen. Geregelt ist dieses in § 185 Abs. 5 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch. Allerdings setzt der Anspruch zum einen für eine Einordnung als Hilfe im Arbeitsleben nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Regelung voraus, dass der schwerbehinderte Mensch einer nachhaltig betriebenen Erwerbstätigkeit nachgeht, die geeignet ist, dem Aufbau bzw. der Sicherung einer wirtschaftlichen Lebensgrundlage zu dienen. Zum anderen ist erforderlich, dass tatsächlich entsprechende Assistenzleistungen erbracht werden, die unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitsumstände zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile notwendig sind. Und eben diese Voraussetzungen müssen nun durch die Vorinstanz untersucht werden, an die das BVerwG den Fall zurückverwies.

Hinweis: Das Erreichen des Regelrentenalters schließt nach dieser Entscheidung die Übernahme der Kosten einer notwendigen Arbeitsassistenz nicht aus. Denn nur, weil die Altersrente gezahlt wird, heißt das noch lange nicht, dass das Arbeitsverhältnis auch endet.

Quelle: BVerwG, Urt. v. 12.01.2022 – 5 C 6.20