Eine Haftstrafe sollte hierzulande immer auch dazu beitragen, nach entsprechender Verbüßung ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen. Dass ein drohender Wohnungsverlust diesem Ansinnen entgegenwirkt, scheint logisch. Dennoch kam es im Folgenden vor den Sozialgerichten zum Streit darüber, dass das Sozialamt die Mietkostenübernahme verweigerte – wegen Überschreitung einer dafür zulässigen sechsmonatigen Inhaftierung um einen Monat. Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) musste daher das letzte Wort sprechen.
Die kleine Wohnung eines Mannes wurde vom Jobcenter bezahlt. Dann musste der Mieter eine siebenmonatige Freiheitsstrafe antreten und beantragte beim Sozialamt die Übernahme der Mietkosten während der Haftzeit. Der Antrag wurde abgelehnt, da die Haftzeit sechs Monate überschritt. Nach der Entlassung könne sich der Betreuer des Mannes um eine neue Wohnung kümmern. Gegen diese Entscheidung legte der Mann erfolgreich eine Klage vor den Sozialgerichten ein.
Schließlich hat das LSG das Sozialamt zur Übernahme der Mietkosten verpflichtet. Denn bei dem Mann sind durch den drohenden Wohnungsverlust bei Haftentlassung besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten zu prognostizieren gewesen, die er nicht aus eigener Kraft hätte überwinden können. Bei ihm bestand eine instabile Persönlichkeit mit geminderter Frustrationstoleranz und Affektstörung. Es hat daher eine Verschärfung seiner Schwierigkeiten nach der Haftentlassung gedroht, so dass er möglichst geordnete Verhältnisse wie eine vertraute Wohnung vorfinden sollte. Außerdem wären auch durch einen Wohnungswechsel spürbare Kosten angefallen. Daher konnte der Mann die seit fast zehn Jahren bewohnte Wohnung behalten.
Hinweis: In Fällen drohender Haft sollte vorsichtshalber ein Antrag auf Übernahme der Mietkosten durch das Sozialamt gestellt werden. Nach diesem Urteil bestehen gute Chancen, dass das Amt zahlen muss. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Haft nur einige wenige Monate andauern soll.
Quelle: LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 24.06.2021 – L 8 SO 50/18