Gut Ding will auch in Rechtsfragen manchmal Weile haben. Da kann es passieren, dass sich inmitten einer laufenden Rechtssache die diesbezügliche Rechtsprechung höchstrichterlich durch den Bundesgerichtshof (BGH) ändert. Welche Pflichten ein Rechtsanwalt bei solchen Eventualitäten gegenüber seinem Mandanten hat, wurde kürzlich vor dem Thüringer Oberlandesgericht (OLG) bewertet.
Rechtsanwälte mit der Spezialisierung für Kapitalanlagerecht hatten Mandanten vertreten, eine Klage und später eine Berufung in der Sache eingereicht, obwohl der BGH zuvor geurteilt hatte, dass solche Ansprüche verjährt sind. Die Anwälte hatten zuvor individualisierte Mustergüteranträge eingereicht, um die Verjährung zu hemmen. Das hatte der BGH jedoch grundsätzlich als nicht ausreichend angesehen. Aus diesem Grund verlangte nun die Rechtsschutzversicherung der Mandanten den Ersatz der gezahlten Rechtsanwaltsvergütung – und das zu Recht.
Die Rechtsanwälte hatten die ihnen zukommenden Pflichten aus dem Anwaltsvertrag mit ihren Mandanten verletzt, weil sie sie vor der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung nicht zum Wegfall der Erfolgsaussichten ihrer Klage beraten und nicht von der Einlegung dieses Rechtsmittels abgeraten hatten. Die aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung hat ein – auf das betroffene Rechtsgebiet spezialisierter – Rechtsanwalt, der mit einer Vielzahl ähnlich gelagerter Verfahren mandatiert ist, im besonderen Maße zeitnah zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Beratung zu berücksichtigen. Er muss sich über die online verfügbare Entscheidungsdatenbank des BGH über die fortlaufende Rechtsprechung informieren. Das war hier nach Ansicht des OLG nicht erfolgt.
Hinweis: Der Rechtsanwalt des Vertrauens sollte also aktuell informiert sein. Je spezieller die Ausrichtung ist, desto mehr Anforderungen werden an den Rechtsanwalt gestellt.
Quelle: Thüringer OLG, Urt. v. 26.01.2024 – 9 U 364/18